Asef Hossaini
21.1.2013
Nach wie vor kommen die meisten Flüchtlinge aus Afghanisten: Rund 2,7 Millionen Afghanen leben außerhalb ihres Herkunftslandes. In den vergangenen 30 Jahren kam es in Afghanistan immer wieder zu einer Abwanderung von Menschen mit relativ höherer Bildung, die hauptsächlich durch Kriege und Wechsel von politischen Systemen verursacht wurde.
Einleitung
Das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) gab am 18. Juni 2012 bekannt, dass nach wie vor die meisten Flüchtlinge aus Afghanistan kommen – weltweit 2,7 Millionen. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge lebt in Pakistan und Iran.[1] Diese "Diasporagemeinde" entstand insbesondere in den afghanischen Nachbarstaaten allerdings nicht erst im Rahmen des jüngsten Afghanistankonflikts, sondern in verschiedenen Perioden mit unterschiedlichen Ursachen.
"Diaspora" wird unterschiedlich definiert. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Zerstreuung". Damit bezeichnete man ursprünglich die auf der Welt zerstreuten jüdischen Gemeinden und deren Kultur. Gegenwärtig leben wegen des Arbeitsmarktes und ökonomischer Veränderungen große Massen von Menschen außerhalb ihrer Heimat. So lebt beispielsweise die Hälfte der 12 Millionen zählenden Sikhs außerhalb von Indien.[2] "Diaspora" kann wie folgt definiert werden: Erstens handelt es sich um Menschen, die von ihrer geographischen Heimat getrennt sind. Zweitens haben die Mitglieder dieser Gemeinde noch "emotionale Bindungen" zu ihrer Heimat, die sie als Quelle ihrer Werte und Identität sehen und denen sie treu bleiben wollen. Drittens gibt es noch eine Grenze zwischen diesen Gemeinden und dem Gastgeberland.[3]
Auch für Brain Drain gibt es verschiedene Definitionen, aber generell versteht man darunter die "Abwanderung der Intelligenz und des Humankapitals" aus einem Land.: "'Brain Drain' zeigt den internationalen Transfer von Ressourcen in Form von Humankapital. Damit meint man generell die Abwanderung von Menschen mit relativ höherer Bildung von einem Entwicklungsland in entwickelte Länder."[4]
Verschiedene Phasen der Auswanderung aus Afghanistan
In den vergangenen 30 Jahren verließen Flüchtlinge Afghanistan in verschiedenen Phasen. Die erste große Auswanderungswelle erfolgte Ende der 1970er Jahre nach der Machtübernahme der Kommunisten (DVPA) im Jahre 1978 und der darauffolgenden Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion 1979. Allerdings lebten schon vor dieser Zeit Gruppen von Afghanen zu Studien- und Geschäftszwecken im Ausland, darunter auch in Deutschland.
In dieser ersten Phase war der Westen den Migranten bekannt, sie gehörten zur studierten Elite, hatten in Afghanistan hohe Ämter inne oder waren renommierte Kaufleute. Dieser Kreis emigrierte häufig in den Westen.[5] Allmählich wanderten aber auch einfache Menschen aus, häufiger aus ländlichen Gebieten, in die Nachbarstaaten Iran und Pakistan. Mitte der 1980er Jahre lebten 6,5 Millionen afghanische Flüchtlinge in den Nachbarstaaten. Dies war die höchste Flüchtlingsrate weltweit.[6]
Mit dem Sturz des kommunistischen Regimes 1992 kehrten viele Flüchtlinge aus dem Iran und Pakistan in ihre Heimat zurück. Kurz danach flammte aber ein Bürgerkrieg unter den Mujahedin auf, sodass wieder eine große Zahl von Flüchtlingen Afghanistan verließ. In dieser zweiten Phase kamen die Flüchtlinge aus zwei Kategorien: Städtischer Mittelschicht, bestehend vor allem aus Beamten des alten Regimes und Flüchtlinge, die nach dem Sturz des kommunistischen Regimes aus Iran und Pakistan zurückkehrten.[7]
Die dritte Flüchtlingswelle begann 1996 nach der Machtergreifung der Taliban. Zu ihnen gehörten vor allem Minderheiten (Hazaras, Schiiten, Ismailiten, Hindus und Sikhs), die von den Taliban bedroht wurden.[8]
Nach der Etablierung des gegenwärtigen politischen Systems und dem Sturz der Taliban im Jahre 2001 begann eine neue Auswanderungsphase. Generell lassen sich die afghanischen Flüchtlinge in zwei Kategorien teilen: In Flüchtlinge in den Nachbarstaaten und im Westen. Dieser Beitrag behandelt nicht das Thema der Binnenflüchtlinge.
Flüchtlinge in den Nachbarstaaten
In allen drei genannten Phasen ließen sich die meisten afghanischen Flüchtlinge in Pakistan und Iran nieder. Sie wählten je nach ihrer kulturellen, religiösen und sprachlichen Zugehörigkeit eines dieser beiden Länder. Die Flüchtlinge im Iran waren meistens farsi-sprachig, schiitisch und häufig Hazaras. Von den Flüchtlingen in Pakistan waren die meisten paschtu-sprachig, sunnitisch und aus ethnischer Sicht paschtunisch bzw. tadschikisch geprägt. Etwa 70% der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan waren Paschtunen.[9] Auch stammten die meisten der Flüchtlinge in beiden Ländern aus ländlichen Gebieten.
Die meisten Flüchtlinge in Pakistan wurden im Norden des Landes in Camps untergebracht, dagegen lebten im Iran nur wenige Afghanen in Flüchtlingscamps. Die meisten von ihnen lebten hier am Rande von Städten und in Dörfern und wurden auf das ganze Land verteilt. Die afghanischen Flüchtlinge kamen in einer Zeit in den Iran, als das Land sich im Krieg mit dem Irak befand und zudem noch unter den Folgen der Revolution von 1979 litt. Iran betrachtete die afghanischen Einwanderer als aktive und billige Arbeitskräfte. Afghanische Flüchtlinge, die meistens aus Dörfern stammten und eher ungebildet waren, fanden auf dem iranischen Arbeitsmarkt oft nur Beschäftigung auf unterem Niveau.
Deshalb hatte die afghanische "Diasporagemeinde" im Iran kaum eine Möglichkeit, soziale Institutionen zu bilden. Vielmehr gründeten sich mit iranischer Unterstützung diverse politische Parteien. Diese Flüchtlinge hielten in den 1980er Jahren auf zwei Ebenen mit ihrer Heimat Kontakt: Finanzielle Hilfe und politisch-militärische Aktivitäten gegen die ehemalige Sowjetunion.
Gebildete Flüchtlinge blieben oft nicht im Iran, da sie dort als Ärzte, Ingenieure und Kaufleute keine Arbeitserlaubnis bekamen. Sie verließen das Land und gingen in den Westen. In Pakistan waren die Flüchtlinge mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Auch dort etablierten sich verschiedene politische Parteien gegen das kommunistische Regime in Kabul. Trotzdem gestattete Pakistan internationalen Hilfsorganisationen, die afghanischen Flüchtlinge zu versorgen. Hunderte westliche Organisationen konzentrierten ihre Aktivitäten auf afghanische Flüchtlinge; solche Vorhaben wurden aber von der iranischen Regierung nicht zugelassen.
Flüchtlinge im Westen
In allen genannten drei Phasen flüchteten Hunderttausende von Menschen in den Westen. Diese kamen meistens aus gebildeten und städtischen Schichten. Der größte Teil hatte unter einem der Regime gedient und musste nach dem jeweiligen Regimewechsel das Land verlassen. Die meisten dieser Einwanderer ließen sich in Deutschland, den USA, Kanada und Russland nieder. Nach Statistiken des deutschen Ministeriums für Entwicklung und Zusammenarbeit leben ca. 100.000 afghanische Migranten in Deutschland.[10] 2009 wurde die Zahl der afghanischen Migranten in Deutschland auf 126.334 beziffert, wovon 49.081 die deutsche und 77.253 die afghanische Staatsangehörigkeit haben.[11] Unter dessen formierte sich eine der größten afghanischen Gemeinden in Russland. Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes ließen sich etwa 150.000 Afghanen in Russland nieder. Aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit entschieden sich auch viele afghanische Sikhs und Hindus nach Indien zu gehen.[12]
Die meisten afghanischen Flüchtlinge, die in den Westen kamen, gehörten zur afghanischen Mittel- oder Oberschicht, waren mit westlichen Verhältnissen vertraut und hatten vorher aus Studien- und geschäftlichen Gründen mit diesen Ländern Kontakt. Viele mussten aber nach ihrem Asyl in Deutschland allmählich einen sozioökonomischen Abstieg in Kauf nehmen.[13]
Die im Westen ansässigen afghanischen Migranten versuchten (insbesondere in Deutschland) aktive Organisationen zu bilden und ihren Kontakt mit Afghanistan aufrechtzuerhalten. Ende der 1970er Jahre gründeten sie zum ersten Mal eine Hilfsorganisation für die Opfer der Flutkatastrophe in ihrer Heimat. Danach wurden mehrere Studenten- und Frauenorganisationen gegründet. Anfang der 1990er Jahre wurden mit Hilfe der Bundesregierung nicht-staatliche afghanische Organisationen (NGOs) gebildet. So wurden von der "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ) Projekte zur Qualifikationsförderung der in Deutschland lebenden Afghanen initiiert, damit diese nach dem Sturz des kommunistischen Regimes die Entwicklung in Afghanistan voranbringen .[14]
Auch unter dem gegenwärtigen politischen System nach 2001 gründeten im Westen ansässige afghanische Migranten diverse NGOs und fokussierten ihre Aktivitäten auf Afghanistan. Da diese Menschen mit dem Leben im Westen vertraut sind und eine Fremdsprache sprechen, konnten sie leicht mit Entwicklungsprojekten der Weltgemeinschaft beauftragt werden und übernahmen in Abwesenheit einer starken staatlichen Bürokratie ersatzweise die Durchführungsfunktion dieser Projekte. Diese Vorhaben waren allerdings von Unzulänglichkeiten begleitet: Gebildete Afghanen, die mit ihren Projekten nach Afghanistan kommen, haben eher Schwierigkeiten, mit Menschen an der Basis in Beziehung treten. Die lange Abwesenheit vom politischen und gesellschaftlichen Leben Afghanistans hat eine große "Verständigungs-Kluft" zwischen den Projektherren und den "Hilfsberechtigten" geschaffen. Diese Kluft hat oft dazu geführt, dass die internationale Hilfe nicht effizient eingesetzt werden konnte.
Die neue Migrationswelle
Trotz gewaltiger internationaler finanzieller Zuwendungen und Etablierung eines neuen politischen Systems nach dem Sturz der Taliban im Jahre 2001 verlassen immer noch eine Reihe von afghanischen Bürgern ihr Land. Obwohl diese neue Auswanderungswelle nicht den Umfang der genannten drei Phasen hat, ist sie dennoch sehr bedenklich, insbesondere deshalb, weil der neue Migrationsschub das typische Bild von "Brain Drain" liefert.
Die neue Migrationsgeneration besitzt zwei Haupteigenschaften: Sie gehört zur Elite des Landes und ihr Auswanderungsziel sind entwickelte Industrienationen. Wie die UNO bekannt gab, stellten weltweit in den ersten 11 Monaten von 2011 mehr als 30.000 afghanische Bürger Asylanträge. Diese Zahl liegt 25% höher gegenüber 2010.[15] Diese Menschen sind hauptsächlich gebildete Menschen, unter ihnen Diplomaten, Journalisten, Kaufleute, Studenten und Künstler. Der neue Auswanderungsschub steht im umgekehrten Verhältnis zur Zahl der Rückkehrer. Nach 2011 kehrte zwar eine beträchtliche Zahl von Migranten aus Iran und Pakistan nach Afghanistan zurück, aber dieser Prozess verlangsamte sich im Laufe der Zeit: So kehrten 2010 etwa 110.000 Afghanen aus Pakistan zurück, aber die Zahl verringerte sich 2011 auf 50.000.[16]Schuld an der neuen Auswanderungswelle sind vor allem der Mangel an Sicherheit und die Arbeitslosigkeit.
Das Fehlen von Sicherheit war in allen Phasen ein wichtiger Grund für die Auswanderung. Man kann zwar die Auswanderer laut "Internationaler Organisation für Migration" in Kabul (IOM) heute nicht als "Flüchtlinge" und "Verfolgte" bezeichnen[17], aber fest steht, dass die Zahl der Asylsuchenden und Flüchtlinge mit der zunehmenden Unsicherheit, insbesondere seit 2005, sprunghaft gestiegen ist, was die direkte Korrelation zwischen Unsicherheit und Auswanderung in Afghanistan zum Ausdruck bringt.
Arbeitslosigkeit ist ein weiterer Auswanderungsgrund der gegenwärtigen Phase. Die afghanische Wirtschaft lebt von den Hilfsmitteln der internationalen Gemeinschaft. Milliardenbeträge werden von nicht-staatlichen Organisationen in Afghanistan verwendet. Die afghanische Regierung schätzt, dass im Jahr 2009 ca. 77 % der Hilfsgelder an der afghanischen Regierung vorbei direkt an NGOs gingen.[18] Staatliche und nicht-staatliche Institutionen als Leiter von Aufbauprojekten haben in vergangenen 10 Jahren direkt oder indirekt Tausende von Arbeitsplätzen für die Afghanen bereitgestellt. Nach Angaben der UNO sind ca. "483.000 Menschen in Afghanistan in 22 Programmen der Nationalen Priorität (National Priority Programms) beschäftigt.[19] "Die Menschen in Afghanistan befürchten, dass nach Abzug von internationalen Kräften aus Afghanistan die internationale Hilfe nachlässt und damit die Zahl der Organisationen und Arbeitsplätze zurückgeht. Warum aber haben Tausende von Entwicklungsprogrammen nicht dauerhafte Arbeitsplätze und eine dynamische Wirtschaft gebracht?
Eine mögliche Antwort ist die, dass es staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen in den vergangenen 10 Jahren nicht gelang, geeignete Fachkräfte auszubilden, obwohl manche Programme wie das "Nationalisierungsprojekt" (National Institution Building Project) zur Erweiterung der Fachkräfte innerhalb und außerhalb der Regierung vorhanden waren.[20] Kurzfristige Projekte konnten aber nur kurzfristige Arbeitsplätze entstehen lassen. Nach Aussage von Sher Verick, Experte der Internationalen Arbeitsorganisation, "besteht das Hauptproblem des afghanischen Arbeitsmarktes darin, dass viele Arbeitsplätze in Afghanistan in den vergangenen 10 Jahren durch internationale Geberländer geschaffen wurden. Diese Beschäftigungsgelegenheiten waren meistens vorübergehender Natur. Wir müssen uns auf nachhaltige Beschäftigungschancen konzentrieren."[21]
Kapazitätsbildung erfolgt auf zwei Ebenen: Institutionelle und individuelle Kapazitäten. Es scheint, dass individuelle Kapazitäten bis zu einem akzeptablen Umfang weiterentwickelt sind, insbesondere deshalb, weil das "Humankapital", also die junge, ausgebildete und qualifizierte Generation aus dem Iran, Pakistan und sogar aus dem Westen in ihre Heimat zurückgekehrt ist. Aber die Unfähigkeit der institutionellen Kapazitäten verhindert die Integration dieser Kräfte in den administrativen und ökonomischen Apparat.
Hinzu kommt, dass die Schwäche der institutionellen Kapazitäten einerseits und die Besetzung dieser durch ungeeignete Personen einen weiteren Druck auf die afghanische Fachelite darstellt. Unqualifizierte Kräfte gelangen aufgrund von ethnischen, sprachlichen, politischen und sogar regionalen Präferenzen ohne Berücksichtigung von Wettbewerbs- und Anstellungsregeln in staatliche und nicht-staatliche Institutionen.Die Beschränktheit der institutionellen Kapazitäten in Afghanistan und der langsame Rückgang von internationalen Hilfsleistungen haben die Arbeitslosigkeit in Afghanistan verschärft. Nach einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation verfügt Afghanistan über 11 Millionen Arbeitskräfte, von denen 7,9% arbeitslos sind. Jährlich kommen 400.000 neue Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt.[22]
Man muss daran erinnern, dass die neuen Auswanderer zumeist Migranten der zweiten Generation aus Pakistan und Iran sind. Auch wenn die erste Generation der Auswanderer größtenteils aus Dorfbewohnern und weniger gebildeten Personen bestand, ist die zweite Generation eher städtisch und gebildet.[23]Wenn diese Menschen nach Afghanistan zurückkommen, haben sie kein Interesse in das väterliche Dorf zu gehen und bevorzugen das Leben in Großstädten wie Kabul, Mazare Sharif, Herat, Kandahar und Jalalabad.
Die Beziehung der Migranten zu ihrem Herkunftsland
Obwohl gegenwärtig der Reiseverkehr zwischen Afghanistan und seinen Nachbarstaaten bzw. den westlichen Ländern intensiver als je zuvor geworden ist, lebt eine beträchtliche Zahl dieser Migranten noch in den Gastgeberländern. Wie halten sie Kontakt mit ihrer Heimat?
Direkter Kontakt
Ein Teil der afghanischen Rückkehrer nach dem Sturz der Taliban gehörte zur wirtschaftlichen Elite, die das Land aus dem Blickwinkel von günstigen wirtschaftlichen Gelegenheiten betrachteten. Das Fehlen eines funktionierenden Steuersystems, billige Rohstoffe und Arbeitskräfte und eine Flut von Auslandshilfen waren Gründe für das Interesse der wirtschaftlichen Elite an Afghanistan. Diese Personen kamen in der Regel aus entwickelten Industriestaaten nach Afghanistan und waren selbstständige Investoren. Weitere Fachleute aus nicht-wirtschaftlichen Sektoren (Ärzte, Ingenieure, Krankenschwester u.a.) wurden durch NGOs, die sich um Migranten kümmerten und auch durch Arbeitsagenturen nach Afghanistan geschickt. So war die "Internationale Organisation für Migration" (IOM) eine der Institutionen, die für die Rückkehr von Fachkräften (brain gain) nach Afghanistan sehr aktiv war. Die meisten im Westen ansässigen Investoren, Inhaber von nicht-staatlichen Organisationen und qualifizierte Kräfte verlassen Afghanistan nach Abschluss der Projekte, bei Minderung der Hilfsmittel oder Kürzung ihrer Gehälter.
Abgesehen davon gibt es aber eine Reihe von Migranten, die in ihre Stadt oder in ihr Dorf zurückkehren und in der Regel auch langfristige Investitionen tätigen. Diese Investitionen konfrontieren die Einheimischen mit neuen Ideen und einem neuen Lebensstil. Es ist wichtig zu wissen, dass der Anbieter hier nicht eine staatliche oder nicht-staatliche Organisation ist, sondern aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Der in Italien lebende Regisseur Razi Mohebbi sagt: Manche Rückkehrer gehen nicht nach Kabul, weil ihre Präsenz dort nicht "effektiv" ist und sie sich dort "unterfordert" fühlen. Sie gingen deshalb in ihren Geburtsort und tragen eine "andere Kultur und Wirtschaftsleben" in diese Orte hinein – insbesondere die aus der ersten Generation. Hinzu kommt, dass manche Organisationen und Institutionen der afghanischen Migranten im Westen noch ihre traditionellen Kontakte mit ihrer Heimat aufrechterhalten haben. Diese Organisationen initiieren Programme und sammeln Spenden, die sie direkt nach Afghanistan schicken. Dazu gehört zum Beispiel der "Afghanischer Frauenverein e.V." in Osnabrück, der jährlich im Rahmen von Veranstaltungen mit Unterhaltung und Kultur Spenden für den Aufbau von Schulen und anderen gemeinnützigen Projekten in Afghanistan sammelt.
Die virtuelle Präsenz
Mit der Ausweitung von Kommunikationsmöglichkeiten ist auch der Kontakt von afghanischen Migranten im Ausland zu ihrer Heimat besser geworden. Telefon, Internet und soziale Netze haben die Distanz zwischen Migranten und den Bewohnern in Afghanistan deutlich verringert. Vor dem Sturz der Taliban war schon der telefonische Kontakt extrem schwierig. Der Kontakt zwischen Migranten und ihren Angehörigen in Afghanistan lief über Briefwechsel oder Audio-Kassetten, die manchmal Monate brauchten, um anzukommen. Die neuen Kommunikationsmittel haben erreicht, dass afghanische Migranten leichter Aktivitäten entfalten können. Solche Aktivitäten sind häufig freiwillig und ehrenamtlich und geschehen aus zwei Gründen: Sammeln von materiellen Hilfsmitteln über das Netz und Management von Entwicklungsprojekten in Afghanistan.
Der in Italien lebende Ethnologie-Student Hamed Ahmadi schreibt beispielsweise, dass er über Facebook dabei ist, Spenden für den Bau einer Schule in der Region "Paye Kohe Mikh" (Bezirk Waras) im Zentrum Afghanistans zu sammeln. Hamed hat diese Region noch nie gesehen, aber es ist der Geburtsort seines Vaters. Hamed meint, dass ein Netz von Freiwilligen, jeweils im Ausland und Inland, den Bau dieser Schule sehr gut vorantreiben könne.
Hamed sagt, dass freiwillige und ehrenamtliche Initiativen zum Wiederaufbau Afghanistans für den Westen fremd sind. Er meint, eine neue Schule könne mit freiwilliger Unterstützung nur mit 15.000 Euro gebaut werden. Dagegen kostet die Durchführung des gleichen Projektes durch NGOs mehrere Hunderttausend Euro. Manche Migranten beraten die Bewohner ihrer Heimatregionen, wie sie Spenden sammeln können, welche Projekte wichtig sind und wie man diese durchführen kann.
Resümee
In den vergangenen 30 Jahren kam es in Afghanistan immer wieder zu einem "brain drain", der hauptsächlich durch Kriege und Wechsel von politischen Systemen verursacht wurde. Immer wenn ein neues Regime an die Macht kam, verließen Beamte und Politiker des alten Regimes zusammen mit einer großen Zahl von einfachen Menschen das Land.
Die Entwicklungen nach 2011 sorgten für die Rückkehr mancher Eliten der ersten Generation und einer Reihe von jungen ausgebildeten Menschen der 2. Generation. Der Mangel an institutionellen Kapazitäten und das Fehlen von langfristigen Programmen waren Gründe dafür, dass diese allmählich das Land wieder verließen. Es kommt die Unsicherheit hinzu, dass die Zahl der arbeitsschaffenden Organisationen mit dem Abzug von internationalen Kräften zurückgeht. Die Präsenz der internationalen Streitkräfte hat eine gewisse Sicherheit geboten, die bisher ausreichend war, um die Arbeit der NGOs zu gewährleisten. Wenn diese wegfällt, wird die Arbeit dieser Organisationen schwieriger, wenn sie nicht ohnehin abziehen.
Wie die Verantwortlichen der "Internationalen Organisation für Migration" in Kabul meinen, flüchten die neuen Auswanderer aus Afghanistan nicht wegen der unsicheren Lage ins Ausland. Vielmehr sind sie auf der Suche nach einer sicheren Zukunft.[24] Die Herstellung einer relativen Sicherheit, die politische Stabilität und Entwicklung von institutionellen Kapazitäten sind wesentliche Voraussetzungen, um den "brain drain" aus Afghanistan zu verhindern und umgekehrt erfahrene und ausgebildete Kräfte wieder ins Land zu holen. Die modernen Kommunikationsmittel haben die Teilnahme von afghanischen Migranten am Geschehen in Afghanistan auch in abgelegenen Gemeindendeutlich verbessert. Diese Beziehungen führten zur Bildung von aktiven sozialen Netzen, die sich auf freiwilliger Basis für die Entwicklung Afghanistans einsetzen.
Bibiliographie
Braakman, M. (2005). Roots and Routes; Questions of Home, Belonging and Return in an Afghan Diaspora (M.A. Thesis). Leiden - Netherlands: Leiden University.
Brubaker, R. (2005). The 'diaspora' diaspora. Ethnic and Racial Studies , 1-19.
Bundesamt fuer Fluechtlinge und Migration, Dr. Habil. Sonja Haug Stephanie Muessig, M.A.Dr. Anja Stichs (Hrsg): Muslimisches Leben in Deutschland, 2009: page 76, chart 5.
Deutsche Welle. (2012, June 18). Dari. Retrieved July 2012, from »Deutsche Welle«
DW. (2012, June 06). Dari. Retrieved July 08, 2012, from »Deutsche Welle«
Frederic Docquier; Hillel Rapoport. (2006). The Brain Drain. In New Palgrave Dictionary of Economics (p. 2). palgrave.
Groot, Richard and Paul van Molen, Eds. (2000): Workshop on Capacity Building in Land Administration for Developing Countries-Final Report. ITC, Enchede, The Netherlands, 12-15 November 2000
IOM. (2012, May). Afghanistan. Retrieved July 09, 2012, from »International Organization for Migration (IOM)«
Nicholas Abercrombie; Stephen Hill, Bryan Turner. (2006). Dictionary of Sociology. London: Penguin Reference .
Poole, Lydia.(2011). Afghanistan; Tracking Major Resources Flows 2002-2010. p.9.
Refugee Cooperation. (2011, Feb 9). Middle East Institute, Afghanistan . Retrieved Dec 12, 2012, from»Refugee Cooperation«
Tatjana Bauralian; Michael Bommes; Heike Daume; Tanja El-Cherkeh; Florin Vdean. (2006). Egyptian, Afghan, and Serbian Diaspora Communities in Germany: How do they Contribute to Their Country of Origin? Eschborn: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenartbeit (GTZ) GmbH.
Telegraph. (2012, January). Afghanistan. Retrieved July 2012, from »The Telegraph«
UN. (2012, February). UN News Centre. Retrieved July 2012, from »UN«
UNDP. (2010). UNDP Afghanistan Annual Report 2010. Kabul: UNDP.
World Bank. (2011). Capacity Development Resources Center. Retrieved July 10, 2012, from »The World Bank«
Zitationen
The term ”brain drain” designates the international transfer of resources in the form of human capital and mainly applies to the migration of relatively highly educated individuals from developing to developed countries. (Frederic Docquier; Hillel Rapoport, 2006; p.2)
Twenty two National Priority Programmes have been developed and subsequently endorsed by the Kabul process and nearly 483,000 people have benefited from employment opportunities as a result of implementation of community development and infrastructure projects (UNDP, 2010, p.7)
While capacity development is an integral part of all the development efforts, UNDP through the National Institution Building Project (NIBP) is working with the Government of Afghanistan to focus on the capacity development of select government institutions through advisory support and twinning arrangement. (UNDP, 2010, p.16)
Fußnoten
1.Deutsche Welle, 2012
2.Abercrombie, et al., 2006
3.Brubaker, 2005, S. 5-6
4.Docquier and Raporto, 2006, S. 2
5.Bauralin; Bommes, et al., 2006, S. 9
6.UNHCR; Braakmann, 2005, S. 7
7.Bauralin; Bommes, et al., 2006, S. 10
8.Bauralin; Bommes, et al., 2006, S. 10
9.Braakmann, 2005, S. 8; Immig und Van Heugten, 2000
10.Bauralin; Bommes, et al., 2006, S. 39
11.Bundesamt fuer Fluechtlinge und Migration, Dr. Habil. Sonja Haug Stephanie Muessig, M.A.Dr. Anja Stichs (Hrsg.): Muslimisches Leben in Deutschland, 2009: page 76, chart 5.
12.Braakmann, 2005, S. 8-9
13.Ebda, S. 23
14.Bauralin; Bommes, et al., 2006, S. 29
15.Telegraph, 2012
16.UN, 2012
17.Telegraph, 2012
18.Poole, Lydia.(2011). Afghanistan; Tracking Major Resources Flows 2002-2010, S.9.
19.UNDP, 2010, S. 7
20.UNDP, 2010, S. 16
21.DW, 2012
22.DW, 2012
23.»Refugee Cooperation. (2011, Feb 9). Middle East Institute, Afghanistan . Retrieved Dec 12, 2012, from Refugee Cooperation«
24.Telegraph, 2012
In his presentation, Asef Hossaini discussed the transformation of rural elites among Afghans during the period of Soviet war, with a focus on the impact of the armed conflict on structures of traditional rule. At the beginning, however, he emphasised, that Afghanistan cannot be described as a “tribal society” in general, as in most places tribal structures have long lost their political significance, i.e. their role in organising communities. The only exception in this regard are the Pashtuns.
Hossaini showed how the war in the countryside changed the traditional structures among Afghan people. While before, the social order had been based on the triangle between landlords, clerics and villagers, the war brought about fighters (traditional Mujahedin) as a new powerful player. In the course of the events, however, an elite of Mujahedin fighters emerged, but not from within the group of traditional Mujahedin. Instead lead was taken by groups of newcomers who were well-financed, well-organised, familiar with politics, had fighting experiences and were Muslim scholars. Many of these new influential groups were formed not within Afghanistan, but in the diaspora.
He then discussed evidence for the transformation of life in the public as well as in the private sphere in response to the armed conflict. Hossaini emphasised that neither the concept of voluntary support, nor the one of force is sufficient to capture the complex relationship between armed groups and the civilian population. He referred for example to the increasing recruitment of child soldiers. He argued that the latter has to be understood against the background of conscription regulations under Soviet rule, which decreed military service for all Afghans. The fear of being marginalised in the community for supporting the foreign rulers, many families opted for sending their boys away to the Mujahedin. Widespread poverty among rural populations, which made parents struggled to sustain their children, added to this dynamics.
Written and posted on 30 Nov. 2012 byTeresa Koloma Beck
Read 436 times
5.12.2012
source: bpb
Die Rolle der Ethnien und Stämme in der afghanischen Staatsbildung und Politik geht auf das 18. Jahrhundert zurück, als das Land im Anschluss an eine neuntägige "Dschirga" (traditionelle Versammlung der Stämme) gegründet wurde. Heute stellt die Loja Dschirga ein Parallelorgan zu anderen Institutionen wie Parlament und Senat dar – und verringert deren Einfluss.
Einführung
Bis Ende 2014 sollen etwa 140.000 ausländische Truppen Afghanistan verlassen. Nach 13 Jahren wird damit die politische Verantwortung der afghanischen Regierung übergeben, die seit dem Sturz der Taliban 2001 an der Macht ist. Dieser Text widmet sich der Frage nach einer gelungenen Staatenbildung in Afghanistan, der Rolle der verschiedenen ethnischen Gruppen im Prozess des Nationsbildung und ihrer Wechselbeziehung mit der afghanischen Regierung. Zudem diskutiert er die Rolle der Stämme im Prozess der Staatsbildung.
In der Anthropologie wird ein Stamm definiert als "eine symbolische soziale Gruppe, die auf Untergruppen basieren und zeitwilligen oder dauerhaften politischen Schutz innehaben. Die Gruppen haben eine Tradition die auf gemeinsame Vorfahren, deren Sprache, Kultur und Ideologie beruht." (Britannica 2012). Stamm bezeichnet eine wenig komplexe gesellschaftliche Organisationsform, deren Mitglieder durch das Verständnis von einer gemeinsamen Abstammung und durch gegenseitige Verwandtschaftsbeziehungen zusammengehalten werden. Dieser Vorstellung eines Stammes stellten die Politikwissenschaft und die Ethnologie bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts die als höherwertig postulierte Ordnungsstruktur des Staates gegenüber. Dagegen besitzt in der Ethnologie eine Definition von Stamm, die sich an der Selbstidentifikation sowie der kulturellen, religiösen und ethnischen Identität der jeweiligen sozialen Gruppe orientiert, weiterhin Bedeutung.
Die Untergruppen der Stämme werden auch als Clan bezeichnet. In diesem Beitrag soll die Rolle der "Clans" im Prozess der Staatsbildung und Nationsbildung in knapper Form untersucht werden.
In der Ethnologie und Anthropologie bezeichnet man als Clan eine Verwandschaftsgruppe , die sich auf einen gemeinsamen Ahn bezieht, ohne dabei jedoch die Abstammung lückenlos herleiten zu können. Eine genauere Definition von Clan, die sich in der englisch- und deutschsprachigen Forschungsliteratur durchgesetzt hat, geht auf den US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock (1897–1985) zurück. Murdock bezeichnet eine Verwandtschaftsgruppe, die gemeinsam auf einem Territorium zusammen lebt, als Clan. Eingeschlossen werden hier die angeheirateten Ehepartner, ausgeschlossen die wegheiratenden. Die Zugehörigkeit wird durch die Patrilinearität bestimmt. Diese Definition trifft auch auf Afghanistan zu.
Eine Ethnie ist eine Gruppe von Menschen, denen eine kollektive Identität zugesprochen wird. Zuschreibungskriterien können Herkunftssagen, Abstammung, Geschichte, Kultur, Sprache, Religion, die Verbindung zu einem spezifischen Territorium sowie ein Gefühl der Solidarität sein.[1]
Die Rolle der Ethnien und Stämme in der afghanischen Staatsbildung und Politik geht auf eine Zeit zurück, als Afghanistan im 18. Jahrhundert im Anschluss an eine neuntägige "Jirga" (traditioneller Stammtisch) gegründet und die Regierung von Ahmad Shah Abdali konstituiert wurde. Der Chronist der afghanischen Geschichte Mir Mohammad Ghobar schreibt, dass diese "Jirga" sich aus Khans (Stammesfürsten) der Gheljaeis, Usbeken, Hazaras, Belutschen und Tajiken zusammensetzte.[2]
Nach der Machtübernahme durch die Paschtunen wurde die Rolle andere "Ethnien" in der Geschichte Afghanistans unbedeutender. Die Paschtunen versuchten, den neuen Staat alleine zu prägen. Der deutsche Afghanistan-Experte Conrad Schetter schreibt: "Die herrschende paschtunische Familie, welche durch 'Britisch Indien' an die Macht gekommen war, favorisierte paschtunische Elemente bei ihrem Konzept von 'Staat und Nation' […] Die Politik der herrschenden Familie setzte die eigenen ethnischen Muster ein, um öffentliche Güter und die Verwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen."[3]
Die nicht-paschtunischen Ethnien, d.h. Tajiken, Hazaras und Uzbeken, verloren allmählich unter dem Druck der herrschenden Ethnie an Einfluss. Der Prozess der "Staats- und Nationsbildung" beschränkte sich damit auf Aktionen und Reaktionen zwischen der Zentralregierung in Kabul und paschtunischen Stämmen. Aber auch zwischen den paschtunischen Stämmen gab es ständig Kämpfe und politische Rivalitäten.
Der iranische Soziologe Hossein Boshiria meint: "Die wichtigsten politischen Spannungen ereigneten sich unter paschtunischen Stämmen selbst; insbesondere zwischen Durranis und Barekzais gab es immer politische Rivalitäten."[4] Man kann also sagen, dass der Prozess der "Staats- und Nationsbildung" mit oder ohne Erfolg untrennbar mit der Rolle der Paschtunen in Bezug auf die Zentralregierung im Zusammenhang stand.
Das Konzept der Staats- und Nationsbildung
Obwohl die Begriffe "Staatsbildung" (state-building) und "Nationsbildung" (nation-building) oft synonym verwendet werden, gibt es inhaltliche Unterschiede: "Staatsbildung" steht der "Staatsführung" oder der Kunst der "staatlichen Administration" nahe, während die Nationsbildung ein weitergehender Begriff ist, in dem Elemente wie Identität eine größere Rolle spielen. Mit anderen Worten:
"'Staatsbildung' steht mit Strategien in Beziehung, mit denen Institutionen und Staatsapparat wie Bürokratie in einem Land gebildet werden. Dagegen geht die 'Nationsbildung' weiter und bezieht sich ausdrücklich auf Bildung einer `kulturellen Identität' in einem geografischen Raum."[5]
Nach Scott sind viele Wissenschaftler der Auffassung, dass eine "erfolgreiche Staatsbildung" die Basis einer "Nationsbildung" ist, und dass ein "effektiver Staat" die unabdingbare Voraussetzung zur Bildung einer Nation darstellt. Ein weiterer Unterschied zwischen Staats- und Nationsbildung ist, dass die "Staatsbildung" zwar auch durch ausländische Intervention erreicht werden kann, aber die Nationsbildung nur durch die betreffende Gesellschaft selbst vollzogen werden kann.[6]
Eine Reihe von Analytikern vertreten die Meinung, dass die Staatsbildung in Afghanistan in der gegenwärtigen Phase sogar trotz der Intervention der Weltgesellschaft und internationalen Kräfte nicht erfolgreich gewesen ist, dass der Staat in Afghanistan gescheitert oder fehlgeschlagen (failed state) sei und nach Abzug der ausländischen Truppen im Jahre 2014 das Land nicht funktionsfähig sei. Ist also der Prozess der "Staatsbildung" in Afghanistan gescheitert? Ein gescheiterter Staat wird u.a. so definiert:
"Ein gescheiterer Staat ist dann vorhanden, wenn öffentliche Institutionen nicht in der Lage sind, den Bürgern positive politische Güter zu liefern, bis zu dem Punkt, dass die Legitimation und die Existenz der Regierung unterminiert wird."[7] Nach dieser Definition ist festzustellen, dass der afghanische Staat bei der Etablierung der politischen Stabilität in den vergangenen Jahren nicht erfolgreich war, da sie nicht in der Lage war politische Güter zu liefern.
Die wichtigsten Punkte, die zu den politischen Gütern zählen, sind "die Bereitstellung von Sicherheit, eine Rechtssystem, dass in Streitfällen ein Urteil fällt, die Bereitstellung der Infrastruktur für Ökonomie und Kommunikation, Sozialhilfeleistungen und die Möglichkeit einer zunehmenden Teilnahme (der Bürger) in den politischen Prozess."[8]
Hinzu kommt, dass eine weitverbreitete korrupte Verwaltung dafür gesorgt hat, dass die alte Bürokratie nicht effektiv funktioniert. Nach dieser Definition müssen wir den afghanischen Staat als eine "uneffektive" Institution, einen "failed state" bezeichnen.
Da die Staatsbildung eine Bedingung der Nationsbildung ist, kann in Afghanistan auch die Nationsbildung als erfolglos bezeichnet werden. Ein Zeichen der Erfolglosigkeit der Nationsbildung ist das Fehlen einer einheitlichen Identität unter den Bürgern eines geografischen Raumes. Mit anderen Worten wird "der Zustand einer uneffektiven und gescheiterten Nationsbildung in einer multiethnischen Gesellschaft weiter verschärft. In solchen Gesellschaften definiert sich jede Einheit aufgrund ihrer Religion, Schicht, Sprache oder Ethnie getrennt von anderen."[9]
Individuen und Gruppen definieren ihre Identität aufgrund von regionalen, ethnischen, sprachlichen und örtlichen Zugehörigkeiten. Schetter schreibt: "Die afghanische Geschichte wurde immer mit einer paschtunischen Lesart geschrieben."[10] Dies bedeutet, dass auch im Prozess der Nationsbildung versucht wurde, die ethnischen Muster der Paschtunen heranzuziehen, um die Nationsbildung zu bestimmen. Dazu gehören z. B. "nationaler Tanz" (Atan) und "nationale Tracht"(Pirahan Tunban).
Vor diesem Hintergrund kann vielleicht festgestellt werden, dass der Bürgerkrieg der 1990er Jahre ein weiterer Versuch der afghanischen Völker war, ihre eigene Identität wiederzufinden. Es waren Ethnien, die im Laufe der Geschichte an den Rand gedrückt worden waren und nach dem Sturz vom Präsidenten Najibullah die Gelegenheit für eine neue unabhängige Identitätsbildung nutzten.
Stämme als Hindernis der Staatsbildung
Der italienische Afghanistan-Experte Antonio Giustozzi meint, dass Spannungen zwischen regionalen Fürsten und der Zentralregierung geschichtliche Wurzeln haben.[11] Diese Spannungen lassen sich in verschiedenen Phasen der afghanischen Geschichte beobachten:
Amir Abdul Rahman Khan (Regierungszeit 1880 bis 1901) ist der erste afghanische Herrscher, der große Anstrengungen zur Stärkung der Nation und Errichtung einer Zentralregierung unternahm. Er ging dabei so grausam vor, dass man ihm den Titel "eiserner Emir" gab.[12]Abdul Rahman Khan siedelte Bevölkerungsteile um und setzte Paschtunen an ihre Stelle. Trotzdem konnte er die Prozesse der Staats- und Nationsbildung nicht vorantreiben, denn einerseits unterdrückte er wichtige afghanische Ethnien, und andererseits gelang es ihm nicht mit den Stammesfürsten der ländlichen Regionen eine produktive Beziehung herzustellen. Barfield schildert diese Situation so:
"Mit der Unterdrückung von Rivalen innerhalb seines Clans, der religiösen Bewegungen und ländlichen Unruhen durch Abdul Rahman Khan, entstand in Afghanistan eine Schicht der 'politischen Elite', die sich zunächst aus wenigen Personen zusammensetzte, aber großen Einfluss durch die Regierung von Abdul Rahman Khan hatte. Da diese Elite ihre ethnischen und ländlichen Bindungen abgelegt hatten, spielten die autonomen regionalen Stammesfürsten eine Vermittlungsrolle zwischen der Kabuler Zentralregierung und dem Volk. Die Loyalität dieser Stammesfürsten basierte auf deren ethnischen, regionalen, religiösen Netzwerken und Stammesrivalitäten. Die Loyalität ihrer Anhänger galt an erster Stelle diesen Stammesführern und erst an zweiter Stelle der Zentralregierung."[13]
Nach Abdul Rahman Khan versuchte Amanullah Khan mit einer unterschiedlichen Art und sanfter Annäherung den Prozess der Staats- und Nationsbildung voranzutreiben. Er unterdrückte andere Ethnien nicht und schaffte die bis dahin geltende Versklavung der Hazaras ab.
Auch die Anstrengungen Amanullahs blieben ohne Ergebnis. Erschöpft vom Krieg gegen England widmete er sich der Modernisierung Afghanistans. Scheinbar hatte er es aber versäumt, tiefgehende Beziehungen zu Paschtunen herzustellen. Er hat versucht sensible Punkte der paschtunischen Tradition, wie das Verbot der Heirat von Minderjährigen, das Verbot der Polygamie und Bildung für Frauen uvm. zu etablieren. Das war für die Paschtunen ein rotes Tuch. Gerade diese Unzulänglichkeit war ein Grund für das Scheitern der Modernisierung und den Prozess der Staats-und Nationsbildung.
Jules Stewart[14] erklärt beispielsweise, wie die paschtunischen Stämme Amanullah provozierten. Im Dezember 1927 unternahm der König auf Einladung der italienischen Regierung eine Europareise. Er kam im Juni 1928 wieder zurück und begann, inspiriert von seiner Eindrücken, mit neuen Reformen. Die Engländer verteilten indessen ein Bild von Königin Soraya unter den paschtunischen Stämmen; in diesem Bild war sie ohne Kopftuch zu sehen während eines gemeinsamen Essens mit ausländischen Männern, wobei der französische Präsident ihr die Hand küsst. Dies war der Grund, warum Amanullah gleich bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer schweren Welle der Unruhe unter den Stämmen und Geistlichen konfrontiert wurde, die ihn am Ende, ein Jahr später, seine Herrschaft kostete.[15]
Die Stammesfürsten kontrollierten unter Amanullah nicht nur ihre eigenen Stämme, sondern übten über einen "Stämmebund" Einfluss auf das Land aus und widersetzten sich der Modernisierung des Landes. Die "Loya Jirga" widersetzte sich dem Wunsch Amanullahs das Mindestalter für die Heirat bei Mädchen auf 18 und bei Männern auf 21 festzulegen und die Polygamie abzuschaffen. Die Regierung Amanullahs stand kurz vor dem Sturz.[16] Den beschriebenen Stämmebund bezeichnet Ibn-e Khaldoun als "asabieyeh". Es ist jene strategische Koalition unter Mitgliedern eines Stammes oder mehrerer Stämme, die sie in einer Krisensituation zusammenbindet. Diese Form des Widerstandes (asabieyeh) ist alteingesessen und wird immer wieder dann ins Leben gerufen, wenn die Traditionen und Religion gefährdet wird. Im Fall Amanullahs haben sich Stammesführer, Geistliche und Feudalherren bereits 1924 erstmalig in Paghman getroffen, um gegen die Reformen des Königs vorzugehen (Ghobar).[17]
Nach dieser Erfahrung Amanullahs verfolgte die afghanische Zentralregierung eine vorsichtige und konservative Politik gegenüber den Stämmen, die bis heute anhält. Die Kabuler Zentralregierung konnte zu keiner Zeit das staatliche Verwaltungswesen (Bürokratie) als Machtinstrument und das staatliche Gewaltmonopol in die afghanischen Stämme hineintragen. Ganz im Gegenteil: Auch die Regierung nahm allmählich "stammesmäßige" und "ländliche" Züge an.
Stamm als "politische Einheit" in Afghanistan?
Wie bereits erwähnt basierte der Prozess der Staats- und Nationsbildung in Afghanistan auf vorgegebenen Mustern der paschtunischen Stämme. Mit anderen Worten setzte die herrschende Ethnie die Strukturen und Elemente ihres Stammes ein, um die Herrschaft zu etablieren und fortzusetzen (s.o. "asabieyeh"). Deshalb bezeichnen die meisten Politiker und manche Anthropologen Afghanistan als ein stammesorientiertes Land. Anscheinend war die jeweils herrschende Ethnie bei der Vertreibung anderer Ethnien aus der politischen Bühne und deren Vereinheitlichung in den letzten zwei Jahrhunderten erfolgreich.
Gusfield zufolge waren traditionelle Werte bei diesem Prozess mächtig: "Die Rolle von traditionellen Werten bei der Formierung von [unterschiedlichen] Elementen der Loyalität und der Grundzüge der Machtlegitimation spielen für das Verständnis der Möglichkeit der Etablierung einer einheitlichen und stabilen Politik auf nationaler Ebene eine sehr wichtige Rolle."[18]
Die Präsenz von großen afghanischen Ethnien wie Tajiken, Hazaras und Uzbeken ist ein neues Phänomen in der Politik. Diese Völker sind erst in den 1980er Jahren auf die politische Bühne getreten, als sie zum Kampf gegen die ehemalige Sowjetunion mobilisiert wurden. Jede Gruppierung mobilisierte sich von innen heraus. In dieser Phase wurden Tajiken, Hazaras und Uzbeken wieder zu politischen Akteuren. Dennoch führte diese Partizipation für Politik und Staatsbildung – dieser politische Prozess hatte historisch ohne Beteiligung dieser Völker stattgefunden – zu keinem positiven Ergebnis. Nach dem Sturz der Sowjets 1992 eilten afghanische Mudjahedin in die Hauptstadt Kabul. Die verschiedenen ethnischen Gruppierungen versuchten die Macht in dem neuen islamischen Regime an sich zu reißen. Dies führte dann zu einem blutigen Bürgerkrieg in den 1990er Jahren.
Nach dem Sturz der Taliban im Jahre 2001 konzentrierte sich die westliche Politik auf die Bildung einer "multiethnischen Regierung auf breiter Basis". Hamid Karzai, der zum Durrani-Stamm der Paschtunen gehört, übernahm die Führung der Übergangsregierung. In seinem 30-köpfigen Kabinett waren 11 paschtunische, 8 tajikische, 5 hazarische, 3 usbekische und 3 Minister aus anderen Ethnien vertreten.
Mit dem Einzug anderer Ethnien in die politischen Entscheidungsprozesse verlor der Stamm als "politische Einheit" in Afghanistan an Bedeutung. Die Behauptung, Afghanistan sei ein stammesorientierter Staat, in dem die kleinste gesellschaftliche Einheit bzw. der Stamm die Politik bestimmt, ist also so nicht aufrecht zu erhalten. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und geografischen Bedingungen der Stämme prägen ihre Formierung als "politische Einheit" mit. Zum Beispiel ist die soziale Struktur von Hazaras nicht stammesorientiert und nicht homogen und pyramidenförmig. In der Gesellschaft von Hazaras hat nicht ein einziger die politische Macht in der Hand. Vielmehr bildet eine Gruppe von Menschen, die unter sich Rivalen sind, ein Machtnetz. Die Macht legitimiert sich unter dieser Volksgruppe nicht aufgrund von "Blutsverwandtschaft" und "Abstammung", sondern aufgrund des religiösen Ansehens.
Auch unter den Tajiken ist die politische Einheit nicht der Stamm. Die Tajiken treffen politische Entscheidungen aufgrund ihrer Lebenssituation. Zum Beispiel nennen sich die Tajiken zu ihrer Differenzierung "Tajik von Panjsher" oder " Tajik von Badakhshan", was relativ unterschiedliche politische Neigungen beinhaltet. So konnten die Tajiks von Panjsher 2004 bewirken, dass ihr Gebiet von einem Bezirk in eine Provinz umgewandelt wurde (ca. 100 km nördlich von Kabul gelegen). Die Tajiks von Panjshir machen ihre Entscheidungen immer von der strategischen Relevanz für die Zentralregierung abhängig.
Loya Jirga als stammesorientierte politische Institution und die bilaterale Legitimation
Der afghanische Staat war nie in der Lage, den zentralen Verwaltungsapparat als Instrument und Hebel der staatlichen Gewalt in die Stämme und Dörfer hineinzutragen. Dennoch ist die Loya Jirga ein sehr wichtiges Organ der politischen Aktion und Reaktion zwischen der Zentralregierung und den Stämmen. "In Afghanistan hatte generell jeder Stamm eine Jirga als administrativ-politische Ratsversammlung. Der Nationalstaat hatte mit den Stammes-Jirgas eine organische Verbindung und konnte somit als Verlängerung der Jirga gesehen werden."[19]
Die afghanischen Regierungen nach Amanullah versuchten, die Loya Jirga als ein nationales politisches Organ zu definieren, um eine eine besondere Funktionen zu erfüllen: Es sollte eine Art "Vertrauensbildung" zwischen Stammesführern und traditionellen Dorfvorstehern einerseits und der Zentralregierung andererseits erreicht werden. Und die Regierung sollte durch sie ihre Legitimität festigen, was erheblich wichtiger war.
Die Loya Jirga bewahrte sogar unter modernen politischen Systemen wie unter dem kommunistischen Regime in den 1980er Jahren ihre Funktion. Präsident Najibullah wurde beispielsweise nach Babrak Karmal 1987 von diesem Organ zum Staatspräsident gewählt.[20]
Auch unter dem gegenwärtigen politischen System wurden seit 2001 mehrfach Loya Jirgas konstituiert: Im Juni 2002 gab es eine außerordentliche Loya Jirga, im September 2003 kam eine Loya Jirga wegen der Verfassung zusammen; im November 2011 schien die Berufung einer "traditionelle" Loya Jirga (an-anawi) trotz vorhandener Gesetzesorgane wie Senat und Parlament unangebracht, dennoch ordnete der Präsident die Versammlung an.
Gerade die Existenz solcher gesetzgebender Parallelorgane, deren Legitimationsbasis nur durch die örtliche Bevölkerung gegeben ist, führt zu einem Widerspruch in den Machtstrukturen. Loya Jirga hat die Verbreitung der zentralen Bürokratie unter den Stämmen und ländlichen Regionen verhindert, aber auf der anderen Seite dient sie der Fortsetzung der pyramidenförmigen Machtstruktur in abgelegen Gebieten.
Mit anderen Worten: Wenn regionale Anführer und Stammesoberhäupter zur Teilnahme an der Loya Jirga nach Kabul eingeladen werden, sind sie die legitimen Vertreter ihrer Stämme und werden auch als solche wahrgenommen. Ihre Präsenz geht auch gleichzeitig mit der Anerkennung der Zentralregierung einher. Die Zentralregierung nimmt dies im Gegenzug wahr und sieht ihre Legitimität gefestigt. Somit ist die Loya Jirga ein politisches Instrument, um sich gegenseitig zu legitimieren (Stammesführer und Regierung). Diese Anführer und Oberhäupter werden dann in ihren Regionen nicht nur als traditionelle Anführer, sondern auch als Vertreter der Zentralregierung angesehen. Das führt zu einer ständigen Stärkung der regionalen Machtstrukturen und dem Machtverlust der zentralen Regierung. Die "bilaterale Legitimation" ist eine unbeschriebene Konvention zwischen der Zentralregierung und den Anführern von ländlichen Regionen und Stämmen.
Schlussfolgerung
Afghanistan ist entgegen der herrschenden Auffassung kein stammesorientierter Staat. Vielmehr ist der "Stamm" nur die "politische Einheit" eines Teils von Afghanistan und bezieht sich auf die Paschtunen. Nations- und Staatsbildung sind in den vergangenen 100 Jahren in einer Wechselbeziehung zwischen der Zentralregierung und Stämmen aus zwei wesentlichen Gründen misslungen: a) Der Widerstand der Stämme gegenüber dem "modernen Staat". b) Die "ineffiziente" Politik der Zentralregierungen gegenüber den Stämmen und die mangelnde Verbreitung des Verwaltungsapparates in den Stämmen und ländlichen Regionen.
Um die Nations- und Staatsbildung in Afghanistan zu verwirklichen, müssen alle "politischen Einheiten" berücksichtigt und in einem weiteren Schritt die Art ihrer Beziehung zut Zentralregierung definiert werden. In der gegenwärtigen Phase, nach 2001, sind im Prozess der Nations- und Staatsbildung zwar auch andere politische Gruppierungen auf die Bühne getreten, die zu verschiedenen Ethnien gehören, d.h aber nicht das sie auch die Interessen ihrer Ethnie vertreten, da sie nicht demokratisch gewählt worden sind. Beispielsweise bedeutet die Präsenz von nicht-paschtunischen Stammesfürsten nicht zwangsläufig, dass sie ihren eigenen Stamm vertreten. Es muss deshalb in Kabul eine politische Struktur entstehen, an der sich in natürlicher Form verschiedene politische Einheiten beteiligen können.
In der jetzigen Situation ist die Macht in Form von "Kontingentierung" unter bestimmte Personen verteilt worden, und zwar unter der Annahme, dass die jeweiligen Personen einen Stamm repräsentieren. Das führt zur Unterdrückung der politischen Dynamik in den Ethnien und dazu, dass politische Akteure einer Ethnie gezwungen sind, zur Teilnahme an politischen Entscheidungen den Führer des jeweiligen Stammes als Brücke zu nutzen. So muss z. B. eine neu unter den Uzbeken entstandene politische Einheit zu ihrer Bestand- und Beteiligungssicherung auf der politischen Landschaft von General Dostum genehmigt werden. Dostum ist seit den Neunziger Jahren der Anführer der usbekischen Miliz. Nach dem Sturz der Taliban 2001 hat er an Macht gewonnen und ist der Anführer aller Usbeken. Daher muss jeder Usbeke, der sich politisch engagieren will, die Linie Dostums einhalten.
Weiter lässt sich feststellen, dass ein moderner Staat auch moderne Strukturen verlangt. Die Loya Jirga stellt ein Parallelorgan zu anderen Institutionen wie Parlament und Senat dar und verringert deren Einfluss. Darüber hinaus verstärkt sie die Legitimation von Anführern in Stämmen und ländlichen Regionen. Dies wiederum bewirkt eine Stärkung der traditionellen Institutionen und Schwächung des staatlichen Verwaltungsapparates in diesen Regionen. Moderne Institutionen müssen in den zentralen Blickwinkel der Regierung rücken, damit durch ihre Stärkung die politische Struktur rational und effizient gestaltet werden kann.
Bibliographie
A. von Bogdandy; R. Wolfrum, (eds).(2005). State-Building, Nation-Building, and Constitutional Politics in Post-Conflict Situations: Concepts Clarifications and an Appraisal of Different Approaches. In Max Plank Yearbook of United Nations Law (pp. 579-613). Netherlands: Koninklijke Brill .
»Afghanpaper. (n.d.). Dr. Najibullah. Retrieved June 28, 2012, from Afghanistan's Information Network«
Barfield, T. (2010).Afghanistan; A Cultural and Political History. Princeton and Oxford: Princeton University Press.
Boshiria, H. (2011). Political Sociology; the role of social forces in political life (Vol. 19). Tehran: Nashre Nei.
»Britannica Encyclopedia. Retrieved November 8, 2012, from Britannica Encyclopedia.«
Ghobar, M. G. (2011). Afghanistn in the path of history (New Edition ed., Vol. 2). Tehran: Erfan.
Ghosh, H. A. (2003). Yesterday and Tomorrow: Women in Afghanistan. Journal of International Women's Studies , 1-14.
Giustozzi, Antonio (2008) Afghanistan: Transition without End. An Analytical Narrative on Statemaking. Crisis States Research Centre Working Paper 40. November 2008.
Gusfield, J. R. (1967). Tradition and Modernity: Misplace Politics in the Study of Social Change. American Journal of Sociology , 72 (4), 351-362.
»Kottak, Conrad P. (2008). Cultural Anthropology, Retrieved November 8, 2012, from McGraw-Hill Higher Education«
Schetter, C. Ethnicity and the Politics Reconstruction in Afghanistan. Bonn: Center for Development Studies (ZEF), University of Bonn.
Scott, Z. (2007). Literature Review on State-Building. Brimingham: University of Brimingham, International Development Department.
Siddique, A. (2012). Afghanistan's Ethnic Divides. CIDOB POLICY RESEARCH PROJECT.
Zitationen
"The ruling family of the Pashtuns, enthroned by British India, favored Pashtun elements in their concept of the nation-state […] the politics of the ruling family employed the ethnic patterns which came into existence in order to regulate access to public goods and offices" (Schetter, 2002, p.3)
A swift American- led military victory routed the Taliban and a much slower-and flawed- political intervention focused on delivering a "broad-based and multi-ethnic" government. Hamid Karzai, a Durrani Pashtun leader from Kandahar, was picked to lead the first transitional administration. The 30-member cabinet he led included 11 Pashtuns, 8 Tajiks, 5 Hazaras, 3 Uzbeks and 3 members of other ethnic minorities (Siddique, 2012, p.5).
Amir Abdur Rahman (ruled from 1880 -1901), was the first ruler to attempt consolidation of the nation into a centralized state. He ruled with a ruthless hand that led to him being termed 'Iron Amir' (Ghosh, 2003, p.3)
Presumebly, the British distributed picturs of Sorya without a veil, dining with foreign men, and having her hand kissed by the leader of France among tribal regions of Afghanistan (Stewart, 1973).
Conservative Mullahs and regional leaders took the images and details from the royal family's trip to be flagrant betrayal of Afghan culture, religion and 'honor' of wormn (Ghosh, 2003, p.5)
Tribal leaders controlled not only their regions, but through inter-tribal unity, held sway over most of nation in resisting attempt at modernization. The Loya Jirga, finally put their foot down when marriage age of girls was raised to 18 years and for men to 21 years, and polygamy was abolished (Ghosh, 2003, p.5).
The new national political elite had a much narrower social, political and regional base than those of nineteenth-century Afghanistan. Leaders then were politically autonomous and served as intermediaries in their people's dealings with the central government in Kabul. Such loyalties might be based on tribal ties, regional affiliations, religious networks, or decent from rival dynastic lines. Their followers were loyal to them first and Kabul second (if at all) (Barfield, 2010, p.166)
Giustozzi, the leading expert on the development of the state in Afghanistan, reminds us that the tensions between local leaders and the central government in Afghanistan have a historical basis (2008, and Tapper 1983).
The role of traditional values in the form of segmental loyalties and principles of legitimate authority are of great importance in understanding the possibilities for the occurrence of unified and stable politics at a national level (Gusfield, 1967, p. 357).
There is much confusion over the terms ‘state-building’ and ‘nation-building’ (Hippler 2004, Goldsmith 2007).
Some authors use the terms inter-changeably, some with completely different meanings. In general, most people use ‘state-building’ to refer to interventionist strategies to restore and rebuild the institutions and apparatus of the state, for example the bureaucracy. In contrast, ‘nation-building’ also refers to the creation of a cultural identity that relates to the particular territory of the state. Most theorists agree that a well-functioning state is a requirement of the development of a nation, and therefore most would also agree that state-building is a necessary component of nation-building. Several authors argue that whilst state-building is something that external actors can engage in, the development of a cultural nation is inherently something only the emerging society can itself shape. Using this line of thinking, it seems most appropriate for development actors to limit themselves to using the terminology of state-building (Scott, 2007, p.3)
Nation failure is an aggravated form of state failure particularly relevant to multi-community state. The individual communities may define themselves by shared religion, class, language, or ethnicity, different to that of the other communities (A. von Bogdandy; R. Wolfrum, (eds), 2005, p.285).
"State failure can be defined as the failure of public institutions to deliver positive political goods to citizens on a scale likely to undermine the legitimacy and the existence of the state itself". (R.I.Rotberg, 2003 and A. von Bogdandy; R. Wolfrum, (eds), 2005, p.580)
"…the provision of security, a legal system to adjudicate disputes, provision of economic and communication infrastructures, the supply of some form of welfare policies, and ncreasingly also opportunities for participation in the political process". (R.I.Rotberg, 2003 and A. von Bogdandy; R. Wolfrum, (eds), 2005, p.580)
1 | 2 | 3 | 4
Alles auf einer Seite lesen
Fußnoten
Georg Elwert: Ethnie, in: Christian F. Feest, Hans Fischer und Thomas Schweizer (Hrsg.), Lexikon der Völkerkunde, Dietrich Reimer Verlag, Stuttgart 1999, S. 99 f.
Ghobar, 2011, Seite 14
Schetter, 2002, Seite 3
Boshiria, 2011, Seite 287
Scott, 2007, Seite 3
Ebda, Seite 3
R. I. Rotberg, 2003 und A. von Bogdandy; R. Wolfrum, ebda, 2005, Seite 580
Ebda.
A. von Bogdandy; R. Wolfrum, ebda, 2005, Seite 285
Schettler, 2002, Seite 3
2008 und Tapper 1983
Ghosh, 2003, Seite 3
Barfield, 2010, Seite 166
Jules Stewart ist ein erfahrener Journalist auf dem Gebiet der anglo-afghanischen Kriege. Er hat vier Bücher veröffentlicht zum Thema, u.a. "On Afghanistan´s Plains" und "The story of Britain's Afghan Wars"
Ghosh, 2003, S. 5
Ebda, 2003, S. 5
Ghobar. S. 701-702
Fusfield, 1967
Boshiria, 2011, Seite 288 und Clifford, 1989
Afghanpaper, 2012
Read 2478 times
An article on ethics philosophy - - سنت رائولز و جهان نگری اپیا - مقاله ای در باب فلسفه اخلاق
Shattered beings are best represented by bits and pieces. Rainer Maria Rilke
1. Introduction
Nowadays, writing about ethics philosophy seems impossible without reading and understanding Rawls' book ofA Theory of Justice(free download). Rawls by formulizing some abstract concepts in ethics created a new tradition in ethics philosophy and also affected philosophy, in general, for more than half a century. Rawls, in his book, is fundamentally discussing on justice and mankind's basic rights. A Theory of Justice has new approaches to ethics philosophy through its methodology and different perspective to the topic. Thus, certainly most of ethics philosophers are in some ways affected by Rawls' ideas and methodology.
Rawls' methodology is based on shifting between hypothetical situation and reality to create a network of what should be and what there are. He always bridges between hypothetical phase and the real phase. Rawls actually makes a hypothetical framework and then puts the real-life phenomena into that to shape a new understanding of the subject. What makes Rawls' methodology different in ethics philosophy from other philosophers is that Rawls puts the realism into the frame of his idealism, but before him, philosophers mostly were trying to idealize the real-life stories.
However, there normally exist different interpretations of Rawls' comprehensive theory such that consequently led to variant approaches in ethics philosophy.
Appiah is also one of those philosophers who could not get away from Rawls' tradition. This paper intends to question how much and how Appiah has followed Rawls tradition in shaping Cosmopolitanism.
Appiah emphasizes mostly on two key concepts in his book:Cosmopolitanism and Strangers.I am trying to explain what they are meaning in Appiah's philosophy; and how much Appiah was successful in defining these key concepts?
2. Cosmopolitanism
When we read the title of the book, we realize that the cosmopolitanism would be a different approach from the globalization and should have a different feature. It is also expected by audiences to know why Appiah brought the cosmopolitanism instead of the globalization in this argument.
As much as you are going deep to the discussion, and searching for answers, you find it out that Appiah probably wanted to open a new window to ethics philosophy by using the concept of the cosmopolitanism, but he could not be successful. Maybe, he could not, or he did not want to give a certain and specific description of his cosmopolitanism. He just briefly argues at the beginning and leaves it immature.
Appiah begins his book with the story of Shattered Mirror, to point it out that there is not a single and certain meaning of Faith and Truth in the world, but each human community represents a part of the truth as a piece of a shattered mirror:
"All Faith is false, all Faith is true;
Truth is the shattered mirror strown
In myriad bits; wile each believes
His little bit the whole to own". (Appiah, 2007: 5)
Appiah is trying to have a profound approach to the roots of human being as the basic elements of his framework. In this case, Appiah is also following Rawls' tradition. He uses the example of the Shattered Mirror to say what is behind the real-life stories, and on what fields our behaviour are based; as Rawls based his discussion on some fundamental human rights such as freedom and voluntarily actions.
In spite of Appiahs' attempt to identify diversities in human-being as the first step of the cosmopolitanism discussion, he was not successful in introducing this fact as a cosmopolitanism characteristic. What he said in the Shattered Mirror story does merely indicate the concept of pluralism and dissimilarity which is accepted as a basic fact of the globalism. Moreover, Appiah is relying more on cultural pattern; and consider social-cultural diversities as the characteristics of the globalism.
The witchcraft story is another Appiah's key example to show how much societies' understandings from the natural phenomena are different. He does not judge whether which interpretation is true or false; but he firstly emphasizes how differently people understand their lives' facts, and secondly their perceptions are based on various resources.
Appiah apparently recognizes witchcraft in Ghanaian culture as a tool of that society to encounter their natural obstacles. He does not consider the potential conflict between modernism and traditionalism, and just tries to demonstrate the differences. Furthermore, he evidences that even people of a modern society have some irrational beliefs. Appiah believes that our beliefs are based on our personal experiences, our culture and our life circumstances in which we grow up: "There is nothing unreasonable, then, about my kinsmen's belief in witchcraft. They think only what most people would think, given the concepts and belief they inherited; if you grow up with their beliefs and had their experience, that is what you would believe, too" (Appiah, 2007: 42).
Appiah is writing conservatively and not interested to discuss what are true or false, but he just consider that recognizing others' behaviour – even seems irrational- is the first step of the cosmopolitanism; but in this context, he also forgets that this is one of the globalization facts, that titledTolerance.
In this context, Appiah obviously tried to follow Rawl's tradition to enhance the feature of globalization, and bring it to the upper level and shape the term of Cosmopolitanism. This means that what Appiah is focusing on in order to establish his ethical framework are exactly the elements of Globalization. A pluralism approach to the world from a modern and postmodern perspective is what makes Appiah's cosmopolitanism close to globalization; but Appiah is wisely using Rawls' methodology to look at the real-life phenomena from a very basic view. Rawls' in A Theory of Justiceby shaping a hypothetical framework tried to discuss on justice, party and so on. Rawls' initiation was that he changed the perspective to ethics. Before Rawls' Theory the argument on justice was concentrated on production and distribution of goods in society. Rawls' went to the back of such meanings of justice, and tried to look at inequality, human-being, justice and fair, hypothetically. This methodology indeed helped Rawls to make a certain framework to analyze the roots of inequalities not merely as an economical issue, but a philosophical and ethical subject.
Appiah followed Rawls' tradition and applied a similar abstract framework to enrich the term of globalization and create cosmopolitanism concept.
Now, I am going to figure out this common question "What is the difference between globalization and cosmopolitanism".
As Appiah mentioned, the term of globalization firstly referred to a marketing strategy, and gradually encompassed other fields of human society. Multicultural communities, mass media, telecommunication technology, and particularly internet worked as the tools of shaping globalization concept. The idea behind the globalization is that each society has opportunity to share its goods with others. Though a very complicated network of goods production and distribution has been created and it has been assumed that everybody is supplying her/his cultural, economical and even political products; but the direction of globalization flow has been from the West to the Rest. For example, "the economic dimension of globalization is the expansion and transformation of capitalism into an integrated global economy" (dictionary of sociology, 2006:168). The globalization is also accompanied by some other concepts such as tolerance, democracy and human rights. Therefore, the term of globalization covers a combination of facts by which the relationships among societies are indentified.
On the other side, if we accept the term of Cosmo refers to universe, and has a more abstract meaning than the World and its geographical feature, then we should assume a new understanding of that. Cosmopolitanism is the assumption of mankind existence in the world as a single, rational and equal creature; what makes closer sense to Appiahs' idea. Globalization implies multidimensional connections between societies; but cosmopolitanism means thinking as a mankind in the world regardless societal, economical and political belongings.
As mentioned above, Appiah was not successful to draw a certain boundary between these two concepts, but he confused cosmopolitanism with globalization.
2.1 How Cosmopolitanism created by Rawls tradition?
Appiah uses absolutely Rawls methodology to discuss his idea of "A Citizen of the World". Rawls established most of his concepts on the concept of Veil of Ignorance. Behind the veil, everybody is equal because everything which depends on human's belongings is removed, such as education, social class, income and etc; and consequently everybody is assumed as a human kind without differences. What Appiah also tried to discuss as the cosmopolitanism is derived from this Rawls' method. In cosmopolitanism, everybody is a citizen of the world; as citizenship implies the equality of a group of people in a city, country, and in this way, in the world. Each citizen has those rights that the other one has. In this context, Appiah shaped his immature idea by Rawls' Veil of Ignorance; but Appiah could not continue the process of Rawls' methodology to link the hypothetical phase to reality and give a concrete meaning of his idea; as Rawls actually based the concept of Original Position on the Veil of Ignorance concept, and discussed how people can stands in their proper places.
Consequently Appiah's idea remained in an idealistic level. He is talking about "a citizen of the world" without considering the realities in human societies. How is it possible to think and behave as a citizen of the world, in the age of political and economical dominance by the West; or when mass media affected different fields of human-life and can change the meaning of certain concepts very easily? Appiah does not say how almost 7 billion people can behave as citizens of the world with equal rights of citizenship, when there exist millions of different actors who shape humankind relationships, politics, culture and economics? Whereas Appiha himself confirm that different understanding that led to different moral value is based on accessibility to material: " Those of us who were given scientific educations have a significant advantage. It's not that we are individually more reasonable; it's that we have been given more materials with which to think about the world." (Appiah, 2007: 42)
3. Who are strangers?
The term of stranger is mostly used in anthropology and sociology referring immigrants and refugees who are residing in a new community. In this sense, strangers are a group of people who have to re-create their identity in a new situation by using different surrounding elements. Some metropolitan cities like Chicago, are established by a combination of strangers' cultures. In this regard Bauman says that: "City life is carried on by strangers among strangers. In the words of Michael Schluter and David Lee, the stranger is "every of us going out" (Bauman, 1995: 126).
However, Appiah's Strangers is almost different. He tried to abstract the notion of strangers and using that as a term to identify world's citizens. In Appiah's words, stranger means everybody in the world who is acting at the same time as a citizen of the world. Therefore, Appiah once again emphatically says that due to cultural differences, everybody in the world is a stranger who should act as a citizen of the world.
4. Postmodern approach
In spite of Rawls' affection on Appiah's ethics philosophy, there is a prominent difference between them. Rawls was the philosopher of the modern era and wrote his book in the time of the Cold War, when the clash between ideologies culminated. Although, Rawls was really successful to escape from ideological atmosphere, he could not discuss on ethics out of the modern boundaries. He believed in equality and inequality, fair and unfair and etc.
But Appiah has a different approach to ethics. His approach is in some way postmodern while he does not talk about good and bad, black and white in the sense of superiority. He does not prioritize culture or value systems. He believes that if there are different understandings in the world that is just because of our cultural background, materials and institutions which shaped our opinion.
"When an American gets a fever and assumes he has an infection, he's applying the concepts that his culture has given him for thinking about disease. If, as I believe, this is a better story than a story about witchcraft, it's not because he's a better person. It's because he has the good fortune to live in a society that has spent enormous amounts of human resources to get that better story." (Appiah, 2007: 43)
For example, by the story of virus, he says that if we ask someone in Newyork about the existence of virus, he or she will answer "Yes, there exist", and if we ask how do you know? He or she continues that scientists say. Appiah shifts the story to Ghana and says that if we ask a Ghanaian about witchcraft, he or she also says "Yes, there exist", and if we continue to know the origin of his/her belief, you are answered that "our ancestors say". In this story, Appiah always agues on different understandings without prioritizing.
One of the principles of postmodernism concept is Uncertainty. There is not an absolute understanding of phenomena. Consequently, value systems cannot be evaluated as well as we get able to classify or prioritize them.
5. Conclusion
In the end, I think that Cosmopolitanism, Ethics in the World of Strangers could be written more comprehensive and philosophical. Now, I just think that Appiah as a philosopher in the early of 21stcentury just made efforts to open a new discussion in ethics, but was not successful to formulize his idea philosophically.
6. References
- Appiah, Anthony Kwame (2007), Cosmopolitanism, ethics in a world of strangers.
- Bauman, Zigmunt, 1995, The Stranger Revisited- and Revisiting in Life in Fragments: essays in postmodern morality, p 126.
- Elizabeth, Wren-Ovens (2007), Postmodern Ethics,
Willy Brandt School of Public Policy at Erfurt University - February 2010
Note: All rights reserved for the writer
Read 1530 times
اندوه که سنگین می شود
می نشینم
پاترلینی گوش می کنم
چایم سرد می شود
و به خودم قول می دهم، فردا
وقتی از خواب برخاستم
فقط جای دندان های تو روی شانه ام باشد
جای لب هایت روی گونه ام
جای دستت روی موهایم
جای تمام تنم روی بدنت
و من آن صبح
در اداره بگویم
هوا خوب است
بمبی منفجر نشده
خبری نیست
و سیب تردی را مدام دندان بزنم
.......
اندوه که سنگین می شود
در خودم جمع می شوم
خلاصه می شوم در موسیقی و حافظ
و عصرها که یکدیگر را می بینیم
فکر می کنی
روی تاقچه قاب عکسی جا مانده است
که نه لبخند می زند نه حرف
گرد و خاکم را پس می زنی
گونه ام را می بوسی
و من بزرگ می شوم
می ایستم
با شاهنامه ای در دست و چشمانی براق
ای خدای صبح ها و عصرهای من
.......
رستوران تازه "انار"
دکور زیبا، چراغ های مسی، ترمه و موسیقی
صندلی خالی روبرو غم انگیزترین
صندلی این سو، غمگین ترین
صندلی این سو حرف می زند
کلمات را کنار هم می چیند
و زخمش را اندازه می گیرد
صندلی غمگینی که
قاشق، چنگال به دست می گیرد
و روزهایش را
تکه تکه می کند
اما شب... مثل تکه سنگی در گلویش
زندگی گس است، گس
اگر شوری اشک بگذارد!
صندلی روبرو غم انگیزترین
صندلی این سو غمگین ترین
صندلی
چایش را محکم می گیرد
دستش می سوزد اما
سرد می نوشد
صندلی روبرو نگاه نمی کند
چیزی نمی گوید
صندلی این سو ساعتش را نگاه می کند
و خودش را می ریزد به خیابان
انار
اندوه ورم کرده درخت
که فقط سالی یک بار
ترک می خورد ....
من
سالی صد بار انار می شوم ...
31 جولای 2016
رنگ داده بودی به این مرد خاکستری
که فقط سیگار می کشد
کنار گلدان ها
و خاکسترش را روی قالی ترکمن می پاشد
راستی
شب، آسمان، آتش و بامیان
یادت هست....
رنگ آدم می پرد وقتی
روبروی آینه
عکس سیاه و سفیدی را می بیند
که چشمانش را زاغ خورده است
چشم بادامی ها
تلخند
مثل من
من به آبی معتاد بودم و تو
به قهوه ای که خواب را از چشم ماهی ها هم
می پراند
رنگ پاشیدی روی سنگفرش خیابانی
که سایه ام را آن روز عصر
آن قدر کش داد
که من رفتم و او نمی توانست از تو دل بکند...
17 اپریل